Hängebrücken |
Hängebrücken sind spektakulär! Sie sorgen für Nervenkitzel, auch bei Schwindelfreien. Auf allen Kontinenten überspannen Hängebrücken seit Jahrhunderten in Gebirgsregionen tiefe Täler und steil eingeschnittene Schluchten. Das Konstruktionsprinzip ist alt und stammt letzten Endes aus der Natur. Aus langfaserigen Pflanzen entstanden Seile, die man dann über das Hindernis spannte. Schon früh berichteten Forschungsreisende und Abenteurer in ihren Aufzeichnungen aus Asien und Südamerika von diesen elementaren Brückenformen. Als Baumaterial standen in diesen tropischen Regionen beispielsweise Lianen und Bambus zur Verfügung. Bis heute sind Hängebrücken aus Naturfasern in unzugänglichen Gebieten in Asien und Südamerika die einzige Möglichkeit, reißende Flüsse zu überqueren. In Europa hingegen war die Bogenbrücken aus Stein weit verbreitet.
Mit der Herstellung und Weiterentwicklung von hochwertigem Eisen beginnt die moderne Geschichte der Hängebrücke. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnten Ketten und Drahtseile mit zuverlässigen Eigenschaften und Festigkeiten hergestellt werden. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Kettenbrücken und Drahtseil-Hängebrücken. Im Verlauf wurde auch die elementare Grundform erweitert. Das Tragseil wurde nun über Pylonen im Untergrund verspannt. Senkrechte Hängeseile ermöglichten den Bau horizontaler Verkehrswege. Diese neuen Brückenkonstruktionen hatten noch weitere Vorteile: Sie waren kostengünstig und ermöglichten Brücken an Orten, an denen der Bau von herkömmlichen Steinbogenbrücken wegen Strömungen und Instabilitäten im Untergrund nicht möglich waren.
Einen Nachteil hatten jedoch Hängebrücken: Schon früh musste man sich mit dem Problem der Schwingungen, die durch Wind oder Gleichschritt verursacht wurden, befassen und auseinandersetzen. Eine Vielzahl von Einstürze – auch mit zahlreichen Todesopfern – mussten hingenommen werden. Leichtbauweisen, ein geringer Windwiderstand, zusätzliche Spannseile und weitere Verstrebungen sollten das Problem beheben. Es dauerte jedoch noch Jahrhunderte bis die Wirkung von Wind verstanden wurde. Windkanäle, Materialtests und Computerberechnungen unterstützen heute die Bauingenieure beim Entwurf von Hängebrücken.
Die Statik der Grundform der Hängebrücke ist leicht zu verstehen. Die Gewichtskraft FG der belasteten Brücke muss von der Brückenkonstruktion ausgeglichen werden (Gegenkraft FG*). Durch die vektorielle Zerlegung von Kräften können die Kräfte F1 und F2 im Tragseil bestimmt werden. Dabei ist bemerkenswert, dass diese Seilkräfte weit größer seien können als die Gewichtskraft selber. Im Seil selber wirken dabei ausschließlich Zugkräfte, die von der Belastung in die Verankerung im Untergrund abgeleitet werden.
Im Gegensatz zur Druckfestigkeit beschreibt die Zugfestigkeit die Widerstandsfähigkeit eines Materials bei Einwirkung einer Zugkraft. Beim Zugversuch wird ein genormter Probekörper in eine Spannvorrichtung einer Zerreißmaschine eingespannt. Anschließend wird die Zugkraft auf die Materialprobe solange erhöht, bis der Probekörper reißt. Mit Hilfe von Sensoren und Computern wird der Zusammenhang zwischen Materialdehnung und ausgeübter Kraft aufgezeichnet.
Modellhaft kann der Zugversuch auch im Fachraum durchgeführt werden. Mit Hilfe des Messwerterfassungssystems CASSY kann der zugehörige Kraftsensor ausgelesen werden. Eine gleichlaufende Winde sorgt für die Zugkraft. So lassen sich einfache Materialproben wie etwa Gummibänder, Bindfäden oder Federn auf ihr Materialverhalten unter Einwirkung von Zugkräften untersuchen.
Alle aufgezeichneten Daten des Zugversuches werden anschließend in einem sogenannten Dehnung – Zugkraft – Diagramm dargestellt; die Rechtsachse wird für die Dehnung der Materialprobe verwendet, auf der Hochachse wird die aufgebrachte Kraft aufgezeichnet.
Wiederum kann die maximale Zugkraft FZ,max leicht im Diagramm im Bruchpunkt abgelesen werden. Will man jedoch unterschiedliche Materialien vergleichen, so muss die unterschiedliche Querschnittsfläche A der Materialproben berücksichtigt werden. Erst durch den Übergang zum Quotienten aus maximaler Zugkraft FZ,max und der Querschnittsfläche A erhält man die Zugfestigkeit; eine Größe die nur noch vom Stoff der Materialprobe und nicht mehr von der Form abhängt. Es gilt:
Druckfestigkeit und Zugfestigkeit haben die gleiche Einheit. Sie beschreiben dennoch zwei unterschiedliche Materialeigenschaften.
Außerdem können weitere Materialeigenschaften im Dehnung – Zugkraft – Diagramm abgelesen werden: Das Material A in obiger Abbildung reißt beispielsweise eher schrittweise, wohingegen Material B schlagartig reißt. Insgesamt dehnt sich Material A bis zur Zerstörung weniger als Material B. Bei Material B fällt auf, dass es sich zu Beginn bei niedrigeren Zugkräften linear dehnt. Man spricht hier von einem linear elastischen Bereich (Das Diagramm verläuft nahezu wie eine Ursprungsgerade). Innerhalb dieses linear elastischen Bereichs erfüllen die Materialproben das Gesetz von Hooke: Die Dehnung und Zugkraft sind zueinander proportional. Der Proportionalitätsfaktor (teilweise Federkonstante D genannt) beschreibt die Steifigkeit des Materials. Schraubenfeder zeigen sehr häufig dieses linear elastische Verhalten. Es gilt also:
In der folgenden Tabelle sind die Werte für die Zugfestigkeit einiger bekannter Naturfaser aufgeführt. Naturfasern können pflanzlichen, tierischen oder auch mineralischen Ursprungs sein. Aufgrund der begrenzten Länge müssen diese Fasern zu Faserbündeln verdreht werden. Dieses Spinnen erhöht meist die Zugfestigkeit des Faserbündels über die Summe der Zugfestigkeiten der einzelnen Fasern hinaus. Noch heute werden sie häufig für die Herstellung von Seilen verwendet.
Faser | Flachs | Jute | Baumwolle | Sisal | Kokos | Schafwolle |
Zugfestigkeit in N/mm2 | 800 - 900 | 320 - 500 | 300 - 800 | 100 - 850 | 130 - 220 | 130 - 210 |
Chemiefasern, früher auch Kunstfasern genannt, sind hingegen synthetisch hergestellte Fasern. Durch die industrielle Produktion können die Materialeigenschaften sehr gut kontrolliert werden, was entscheidend bei der Herstellung von geprüften Faserprodukten notwendig ist. Außerdem sind sie formbeständiger, haltbarer und kostengünstiger. Unübersichtlich ist jedoch die große Anzahl von Handelsnamen.
Faser | Nylon (Polyamid) | Kohlestofffaser | Glasfaser | Kevlar (Aramid) |
Zugfestigkeit in N/mm2 | 70 - 110 | 2500 - 6500 | 1800 - 3500 | 2300 - 3200 |
Das statische Prinzip einer Hängebrücke setzt aber Baustoffe voraus, die vorwiegend auf Zug belastbar sind und aus denen Seile oder Kabel hergestellt werden können. Stahl, eine Legierung aus überwiegend Eisen und geringeren Anteilen an Kohlenstoff und weiteren chemischen Elementen eignet sich aus Kostengründen und wegen seinen mechanischen Eigenschaften hervorragend beim Bau von Hängebrücken.
In der Mitte 19. Jahrhundert begann die sprunghafte Zunahme der Stahlproduktion. Durch die Erfindung der Dampfmaschine stand eine leistungsstarke Arbeitskraft zur Verfügung, der Steinkohlebergbau lieferte die notwendige Energie zur Stahlproduktion und mit dem Aufkommen der Eisenbahn entwickelte sich ein starker Absatzmarkt für Stahl. Der Eiffelturm in Paris, der zur Weltausstellung 1889 errichtet wurde, symbolisiert den technischen Fortschritt im Stahlbau in dieser Zeit.
Ausgangspunkt bei der üblichen Stahlherstellung ist die Schmelze im Hochofen. Dabei entstehen die ungenutzten Schlacken und Roheisen, das jedoch noch zu viel Kohlenstoff enthält. In einem weiteren Produktionsschritt wird Sauerstoff aufgeblasen. Durch dieses sogenannte Frischen wird der Kohlenstoff oxidiert und es entsteht flüssiger Stahl. Anschließend werden weitere chemische Elemente zum Legieren beigegeben. Beim Erstarren der Schmelze entstehen dann kleine Kristalle. Durch anschließende Wärmebehandlungen (Glühen, Härten, etc.) können die mechanischen Materialeigenschaften des Stahls gezielt eingestellt werden. Der letzte Schritt ist dann die Kaltumformung (Walzen, Ziehen, etc.), durch die die Festigkeit des Werkstoffs noch weiter kontinuierlich zunimmt.
Doch die Herstellung einwandfreien Stahls war nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Es kam zu Brückeneinstürzen aufgrund von Materialmängeln im Stahl. Eine gezielte Werkstoffprüfung war dringend notwendig. Die Abbildung zeigt dabei das typische Dehnung – Zugkraft – Diagramm von Stahl, wodurch Aussagen über die Qualität des Werkstoffs gemacht werden können. Dabei lassen sich drei Bereiche unterscheiden.
Im Bereich I sind die Dehnung und die Zugkraft zueinander porportional. Die Stahlprobe wird elastisch nach dem Hook´schen Gesetz verformt.
Bereich II zeigt die sogenannte plastische Verformung. Da sich der Werkstoff wie eine zähe Flüssigkeit verhält, sagt man, dass der Stahl fließt. Es tritt eine bleibende Verformung ein, d.h. dass der Probekörper bei Entlastung nicht mehr in seine ursprüngliche Form zurückgeht. An der Grenze zwischen zweiten und dritten Bereichs erreicht die Zugkraft ihr Maximum, deren Wert ausschlaggebend für die Zugfestigkeit ist.
Bereich III verdeutlicht die schnelle Verlängerung der Stahlprobe, die sich in der Mitte einschnürt. Die Zugkraft verringert sich dadurch. Übersteigt die Verlängerung einen bestimmten Wert, so reißt der Probekörper.
Baue in Kleingruppen (ca. 6 bis 8 Personen) mit Hilfe des Bauplans und den unten aufgeführten Materialien eine Seilbrücke über einen mit Seilen markierten „Fluss“ zwischen zwei Bäumen (Abstand: ca. 8 m). Dabei zeigt der Bauplan die Konstruktion sowohl des unteren Tragseils als auch des oberen Halteseils. Zuvor muss jedoch die Sicherheit der Brückenkonstruktion überprüft werden, damit ein sicheres Überschreiten der Brücke gewährleistet ist!
Liste der Materialien und Hilfsmittel:2 Tragseile | 6 Karabiner | 4 Rollen |
2 Reepschnüre | 4 Banschlingen | Baupläne |
Sicherheitsfrage 1: Kraftanalyse
"Welche Kräfte können beim Überschreiten der Seilbrücke auftreten?"
1. Überquert beispielsweise eine Person das Tragseil, so wird die Gewichtskraft der Person vom rechten und dem linken Abschnitt des Tragseils aufgefangen. Wie groß sind nun aber die Kräfte in den Seilabschnitten? Mit Hilfe von maßstäblichen Zeichnungen der Brücke und mit Hilfe der Zerlegung von Kräften können die auftretenden Kräfte in den Seilabschnitten bestimmt werden. Fülle die Tabelle aus!
Annahme: Ein 8 m langes Tragseil wird bei verschiedenen Positionen x mit einer Masse von m = 80 kg belastet. Der Durchhang beträgt dabei bei jeder Position d = 1 m.
Position x in m | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
Kraft F1 im linken Seilabschnitt in N | |||||||
Kraft F2 im rechten Seilabschnitt in N |
2. Die Seilbrücke kann mit verschiedenen Durchhängen gebaut werden. Welchen Einfluss hat die Wahl des Durchhangs auf die im Tragseil auftretenden Kräfte? Mit Hilfe von maßstäblichen Zeichnungen der Brücke und mit Hilfe der Zerlegung von Kräften können die auftretenden Kräfte in den Seilabschnitten bestimmt werden. Fülle die Tabelle aus!
Annahme: Ein 8 m langes Tragseil wird bei verschiedenen Durchhängen d in der Brückenmitte (x = 4 m) mit einer Masse von m = 80 kg belastet.
Durchhang d in m | 0,5 | 1,0 | 1,5 | 2,0 | 2,5 |
Kraft F1 im linken Seilabschnitt in N | |||||
Kraft F2 im rechten Seilabschnitt in N |
Was kann man aus den Werten in den Tabelle für den Bau der Seilbrücke schließen?
Welche maximale Kraft kann beim Überschreiten der Brücke auftreten?
Sicherheitsfrage 2: Materialanalyse
"Können alle verwendeten Materialien dieser Kraft standhalten?"
Nun müssen also alle Materialien überprüft werden! Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
1. Über die Messung des Durchmessers der Seile und der Reepschnüre kann die kreisförmige Querschnittsfläche A berechnet werden. Mit Hilfe der Zugfestigkeit (diese kann in Büchern oder im Internet recherchiert werden) lässt sich nun die maximale Zugkraft berechnen.
2. Häufig sind Karabiner, Rollen und Bandschlingen – insbesondere falls man sie im Fachhandel kauft – mit einer geprüften Aufschrift zu den maximalen Zugkräften versehen. Überprüfe alle Materialien auf diese begutachteten Aufschriften!
3. Ebenso kann die maximale Zugkraft auch mit Zugversuchen experimentell bestimmt werden. Materialprüfanstalten – etwa bei einer Hochschule oder Universität in der Nähe – können diese Versuche durchführen.
Sind alle Materialien für den Bau der Seilbrücke entsprechend ausgelegt?
Welche Sicherheiten sind einkalkuliert?
Regeln beim Bau der Seilbrücke:
• Die Arbeitszeit ist auf 30 Minuten begrenzt.
• Während der Bauphase darf der "Fluss" nicht überquert werden.
• Materialien, die in den "Fluss" fallen, stehen nicht mehr zum Bau der Brücke zur Verfügung.
• Nach Ablauf der Arbeitszeit müssen alle Gruppenmitglieder den "Fluss" über die Seilbrücke überqueren.
Sicherheit:
Vor allem die Leichtfertigkeit stellt die größte Gefahrenquelle dar. Zu den Gefahren gehören Verbrennungen durch Reibung am Seil und - im Falle eines Seilrisses - Verletzungen beim Absturz und beim Zurückschnellen des gespannten Seils. Aus diesem Grund sollten folgende Sicherheitsregeln dringend beachtet werden:
• Risiko bewusst machen: Insbesondere Jugendliche müssen vor Leichtsinn geschützt werden.
• Freiwilligkeit: Keine Teilnehmer nimmt gegen seinen Willen an der Aktion teil. Gruppendruck darf keine Rolle spielen.
• Redundanz: Alle Sicherheitselemente sind doppelt geführt.
• Vieraugenprinzip: Vier Augen überprüfen alle Sicherheitselemente.
ÜBERPRÜFE VOR DEM ÜBERQUEREN DIE BRÜCKENKONSTRUKTION, INSBESONDERE ALLE KNOTEN UND KARABINER
Bauplan:
Zur Befestigung der Reepschnur am Tragseil ist ein sogenannter Prusikknoten nötig, der sich bei Belastung zuzieht.
Fotos:
Bemerkung:
Die aufwändige Seilkonstruktion mit den Karabinern und Rollen stellt einen sogenannten dreifachen "Flaschenzug" dar. Dadurch kann das Tragseil stärker gespannt werden und der Durchhang aufgrund der Dehnung des Seils minimiert werden. Zieht als eine Person mit einer Kraft F am Tragseil, so verdreifacht die Rollenanordnung die Kraft und das Seil wird mit einer Kraft von 3F gespannt.
Bewertungsbogen:
Will man die Teamarbeit bei Bau der Seilbrücke bewerten, so kann nachfolgender Bewertungsbogen helfen, das Einbringen der einzelnen Gruppenmitglieder einzuordnen:
-3 | -2 | -1 | Name: Max Mustermann | +1 | +2 | +3 |
...hat den anderen zugehört. | ||||||
...hat viel über andere Dinge (nicht Seilbrücke) geredet. | ||||||
...hat Probleme mitgelöst. | ||||||
...hat mit den anderen zusammengearbeitet. | ||||||
...hat auf andere Rücksicht genommen. | ||||||
...hat sich körperlich angestrengt. | ||||||
...hat Spaß gehabt. | ||||||
...hat einen Beitrag zum Gesamtergebnis geleistet. | ||||||
...hat Konflikte mit verursacht. | ||||||
...hat aus der heutigen Stunde etwas gelernt. | ||||||
Unterschrift: |
Aufgaben zum Konstruktionsprinzip Hängebrücke:
Aufgabe 1: SeilbrückeAufgaben zur Zugfestigkeit:
Aufgabe 3: KletterseilAufgaben zum Baumaterial Stahl:
Aufgabe 8: StahlseilVermischte Aufgaben:
Aufgabe 10: Die Alamillo - Brücke